In China essen sie Hunde
Wenn man über eine Tante verfügt, die mit 84 das Verfallsdatum deutlich überschritten hat, tut man gut daran, Sie etwas häufiger zu besuchen - man weiß ja nie, wie lange man sie noch hat.
Sie geht gern zum Chinesen mit mir, und eigentlich tun wir dies im nahen Gerlingen, „Shanghai“ heißt das Etablissement. Warum auch immer: Heute fuhren wir ins auch nicht sehr ferne Leonberg,
ins „Reishaus“. Da gibt's ein Buffet, und All-you-can-eat mag ich. Und die Tante auch. 17:30 Uhr sollte es losgehen.
So stand es im Internet, und auch auf dem Display vor der um 17:35 Uhr noch immer verschlossenen Tür. Ich beschloss dann, um 17:40 Uhr, mich bemerkbar zu machen. Hey! Die Tür war nicht
abgeschlossen! Heiter betraten wir mit einem herzlichen „Ni hao“ auf den Lippen die Räumlichkeiten und schickten uns an, einen Tisch zu besetzen.
„Erst 18 Uhr!“ Eine asiatische Schönheit steuerte grimmig und schmallippig auf uns zu.
Mitnichten, erläuterte ich ihr. Ich bot ihr an, ihr die Öffnungszeiten auf besagtem Schild zu erläutern. „Müssen vorbereiten. Erst 18 Uhr!“, beharrte sie.
Dann ein jäher Anflug von Menschlichkeit.
„Können sitzen“, bot sie großzügig an. Zauberhaft. Eine zerbrechliche 84jährige Dame und ein dicker alter, leicht gangunsicherer Mann durften sich immerhin hinsetzen.
Dass das Buffet eröffnet war, erkannten wir daran, dass einige junge Leute, die um kurz vor 6 hereinkamen, sich unaufhaltsam dorthin stürzten. Es wäre natürlich zu erwarten gewesen, dass die
junge Frau, die ziellos durch das Restaurant steuerte wie weiland der Fliegende Holländer, uns mit einem Lächeln und einer herzlichen Geste eingeladen hätte. Bitte, treten Sie näher! Es ist
angerichtet!
Schade. Vermutlich hatte sie einen schlechten Tag.
Wir beluden unsere Teller mit den feilgebotenen Leckereien und stellten sie auf den Tresen in der Hoffnung, der Koch möge sie auf die heiße Platte werfen.
„Da falsch!“ Ich konnte der jungen Asiatin heute einfach nichts recht machen. „Dahin!“, korrigierte sie mich.
Aha. Nach ca 10 Minuten erschien der Koch. Er wirkte etwas angespannt. Man kennt das ja: Gerade ist es einem gelungen, einzuschlafen, und dann wird man wegen irgendeiner Lappalie geweckt.
Scheißtag, das!
Das Essen war ok. Auch der 2. Teller. Der Koch sah mich strafend an. „Wenn nicht aufessen, zahlen doppelt Preis!“ Ich nickte. „Keine Angst. Ich schaff das schon!“ Charmantes Völkchen, diese
Chinesen. Liebevoll, und dabei doch streng.
Als ich nach der Rechnung verlangte, näherte sich ein beängstigend schlanker, junger asiatischer Mann. Sein Taillenumfang entsprach ca. dem meines Oberschenkels. Der Junge war wirklich ganz
nett. Aber für mich und mein Vergnügen war es da schon zu spät.
Nächstes Mal gehen wir zum Griechen. So viel steht fest. Oder ich koche selbst.