Ich bin Mitglied in einer wunderbaren Facebook-Gruppe. Die Veranstaltet Autorentage. Und gestern, am 30.10.17, war meiner. Ich versuche hier, die private und öffentliche Diskussion weglassend, einen Eindruck wiederzugeben. Falls es jemanden interessiert. Und für mich. Um es nicht zu vergessen. Es war nämlich wunderschön . 


Dann kam eine kurze Vorstellung ... 


... und dann noch ein Interview! 


Eine persönliche Rezension! 


... und ein wenig Werbung




Ich habe das ganze natürlich garniert, mit ein paar Texten, die ich - im Gegensatz zu sonst - nicht vorbereitet hatte, aber ich fand es besser, spontan zu formulieren, auch wenn es dann nicht so ganz rund klingt, manchmal. Das mit dem angesäuert bezieht sich auf die Einladung zum Tee zu Beginn und meine Nachfrage nach Zitronensaft ...



Also, derart angesäuert, kann ich mich vielleicht kurz vorstellen. 

Nach der Schule bestanden meine Eltern darauf, dass ich etwas Richtiges lerne, außerdem hätte ich wegen meines Numerus clausus nicht sofort losstudieren können. Ich habe dann am Stadtkrankenhaus in Cuxhaven Krankenpfleger gelernt, von 1975 bis 1978 ( mein Gott, ist das lange her! ), und bin dann nach Berlin gegangen, um Medizin zu studieren. Wunder-, wunderschöne Zeit! 

1984 habe ich dann im Franziskuskrankenhaus bei Professor Kollwitz ( ja, der Enkel von Käthe ) in der Urologie angefangen, und bin dann an die Universität gewechselt. 

1990 bin ich, weil meine Mama an Brustkrebs erkrankt war und ein Jahr lang um ihr Leben kämpfte, nach Hamburg gegangen, um eine eigene urologische Facharztpraxis zu führen. Das habe ich bis 2015 durchgehalten.

Mit dem Schreiben hatte ich aber schon vorher angefangen. Briefe, zum Beispiel. Ich komme ja noch aus der Generation, in der man sich Briefpapier mit eingedrucktem Namen und Adresse wünschte, und die gehämmerten Bütten an Freunde, Verwandte und Bekannte schickte. 

Ja, und eines Tages besuchte ich Quedlinburg. Und da hing, an einem Zaun, das Schild eines Installateurs. „Peik Jennings“, stand da. Irre, oder? Ich meine, Michael, Thorsten, Reiner ... ok, aber „Peik“? Dabei hatte ich bisweilen unter meinem Vornamen gelitten, ihn sogar gehasst. Und nun gab es jemanden, der genauso hieß, wie ich?

Ich habe dann darüber nachgedacht, was der Vorname mit einem Menschen macht. Inwieweit er Einfluß hat, auf den Menschen, der ihn trägt. Und dann habe ich mich getraut, ihm einen Brief zu schreiben.

Seine Frau antwortete mir nach einiger Bedenkzeit. Ihr Mann sei vor Rostock beim Segeln ertrunken. Aber, sie war so lieb, ihn mir zu beschreiben. Leute! Gänsehaut pur! Es war so, als ob sie mich beschrieb. Mir blieb schier die Luft weg. Sogar dasselbe Buch „Peik“ fungierte bei uns beiden als Namensgeber...

Ich habe dann über mein Leben nachgedacht. Und mir fielen so viele Szenen ein, am prägnantesten eine Szene an Weihnachten ... das habe ich aufgeschrieben.

... und plötzlich war’s ein Buch. Das gab ich meiner Tante zu lesen, die aber meinte, so lange ich nicht Justin Bieber oder Gerhard Schröder wäre, würde ich wohl kaum Leser finden. 

Tja, und dann habe ich einen Roman daraus gebastelt. 

Als Cuxhavener habe ich meine Kindheit am Strand und im Strandkorb verbracht. Mama machte eine Thermoskanne mit Zitronentee und Kekse, und dann zogen wir los, ein Buch im Gepäck. Nicht Goethe, oder Böll, oder von Doderer. Einfach Schmöker. Spaß. Ent-Spannung, Freude. Das war bei uns in der Familie ein geflügeltes Wort. Hast Du einen neuen Strandkorbschmöker? 

So etwas wollte ich schreiben. Und alle Emotionen, die mich durch mein Leben geführt haben. Liebe. Angst. Sorge. Schmerz. Einsamkeit. Freude. Und Liebe, immer wieder Liebe. Emotionen, die größer sind, als das Leben selbst. 

Sorry für die lange Rede. Wenn’s langweilig wird, bremst mich bitte aus! Ein schlichtes „Halt die Klappe“ reicht! 😄😂🤣

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Ja, ich würde mich freuen, wenn das Päckchen, das ich -wegen der Feiertage - erst Donnerstag auf die Reise schicken kann, jemandem eine kleine Freude bereitet! Also - nehmt am Gewinnspiel Teil, ok? 

Tja, Kinder. Nun sitze ich hier 'rum, und bin Schriftsteller. Komisch, nicht? Schriftsteller .... Was fällt einem dazu ein? Mal so ganz spontan? Goethe und Schiller? Stephen King und Ken Follett? Reich-Ranicki und Karasek? Harry Potter? Grimms Märchen? Kindle und Tolino? Die Mayersche, Thalia, Hugendubel? Amazon? 

Stimmt alles. Und sich selbst in einem Atemzug mit diesen namhaften und berühmten Begriffen zu stellen, grenzt an Größenwahn. 
Nein, so vermessen bin ich nicht. Aber auch Goethe hat mal klein angefangen. Das stelle ich mir jedenfalls so vor. Nicht gleich Faust, erstmal ein Gedicht, oder einen Brief an seine Mama. Das beruhigt mich, und hält mich bei Laune.

Es macht Spaß. Man gibt etwas von sich. ( Den Satz kann man unterschiedlich betonen. Man gibt etwas VON sich. Aber, viel wichtiger: Man GIBT etwas von SICH! ) Man verrät Geheimnisse, läßt Erfahrungen einfließen, kann mißliebige Personen bösartig entfernen und liebe Personen entstehen lassen. Und ganz nebenher kann man Erlebtes verarbeiten. Das spart schon mal Zeit beim Psychiater. Praktisch, oder?

Man fühlt sich ein wenig wie „der Schöpfer“ am Ursprung aller Dinge. Man überlegt sich eine Geschichte, erschafft die Personen, wenn diese nicht schon längst vorhanden sind. Dann führt man sie in das Set ... einige führt man, einige muss man schubsen, einige rennen von selbst los und sind so schnell, dass man kaum hinterherkommt ... und die Geschichte beginnt. Sie entwickelt sich. Oft genug in eine Richtung, die man ursprünglich gar nicht geplant hatte. Frechheit! 

Und was ist mit dem Leser? Man hofft, als Schriftsteller, dass man ihn berührt. Dass er die Geschichte mag, vielleicht sogar von ihr gefangen ist. Sich mit den Personen ganz oder teilweise identifizieren kann. Sich königlich amüsiert, oder heiße, bittere Tränen vergießt. Das eine oder andere Aha-Erlebnis hat. Dass er in eine andere Welt versetzt wird, die eine kleine Flucht, einen frohen Rückzugsort bedeutet, fast wie Urlaub. 

Mehr will ich gar nicht erreichen. 
Aber weniger auch nicht.

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Darf ich noch einen loslassen? Nur noch einen, kleinen Text, aber der ist mir sehr wichtig. Hier lesen ja Leute, die lesen, aber auch schreiben, und sich überlegen, dass man mal was schreiben könnte ....

VORSICHT!!! Freunde des weißen Sports, seid vorsichtig! Seid misstrauisch! Macht nicht den dummen Fehler, den ich verbrochen habe! 

Die waren alle so nett, da, beim Novum-Verlag. Und die Damen sind auch nett. Der Vertrag ist es nicht. Und überhaupt: UNTERSTÜTZT NICHT DIE DKZV ( Druckkosten-Zuschuss-Verlage )! 

Ich bin ja blöd. Wenn jemand mich anlächelt, denke ich, der mag mich. Und wenn einen dann noch der Wunsch voran treibt, etwas Gedrucktes in Händen zu halten, dann verliert man zunehmend die Kritikfähigkeit. Und unterschreibt. 

Beispiele? 
Da steht zum Beispiel, dass man den kompletten Betrag. Von € 5500.- zurückbekommt, wenn das Buch sich 750 mal verkauft hat. Später erfährt man dann, dass das aber nur gilt, wenn der Kauf über den Verlagsshop des Novum-Verlages erfolgte. Amazon gilt nicht. 

Dann habe ich „Präsentation auf den Buchmessen in Leipzig, Frankfurt und Wien“ gekauft. Woran denkt ihr bei dem Wort ‚Präsentation‘? 
Ja, ich auch. Was ich allerdings erwarb, war, dass jemand mein Buch mit 300 anderen in ein Regal stellte. Kurz vor Leipzig erfuhr ich, dass ich wenn ich „mehrere Exemplare in Augenhöhe positioniert“ wünschte, ich gefälligst € 370.- zuzügl. Mehrwertsteuer zu überweisen hätte. Für ein Banner mit meinem Namen und einer Lesung noch mal einen Tausender ...

Ich bin in Leipzig gewesen. Keine Werbekarte, kein Lesezeichen, mein Buch irgendwo unten im Regal. Was hat Peikchen gemacht? Er hat sich dick und bräsig hingesetzt und drei Tage lang persönliche Werbung betrieben. Ätsch.
So viel zum Thema „Präsentation“. 

Ich könnte noch stundenlang weiterschreiben, vom Kleingedruckten, gebrochenen Versprechen, oder trickreichen Formulierungen, auf die Ihr alle genauso hereinfallen würdet, wie ich. Aber dann wird das hier wieder ewig lang. Deswegen:

VORSICHT!!! Freunde des weißen Sports, seid vorsichtig! Seid mißtrauisch .... 

( bitte mit dem Lesen wieder oben beginnen, und so lange weitermachen, bis Ihr das verinnerlicht habt! )

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So, Ihr Lieben! Ich war wirklich nervös. Das könnt Ihr glauben! Aber dank der perfekten Organisation unserer Admins und Eurer Beteiligung ist das doch ein spannender, freundlicher, interessanter Autorentag gewesen - naja gut. Zumindest für mich. Ich habe viel gelernt und wertvolle Hinweise bekommen. Und tolle Menschen kennengelernt. 

Ich bedanke mich bei allen sehr herzlich für Eure Freundschaft, Eure Liebe, Euer Interesse und Eure Mithilfe. Ihr habt diesen Tag zu einem Highlight für mich gemacht. 
Ich verabschiede mich offiziell, bleibe aber natürlich immer ansprechbar, unter den genannten Adressen, auch gern per E-Mail peikvolmer@web.de. 

Das kleine Gewinnspiel läuft noch bis morgen Mittag. Ich informiere den Gewinner direkt und bitte dann um die Versandadresse. 

So, nochmals vielen Dank für alles, und bis bald! 

Herzlichst,
Euer Peik



( Dieser Text war für einen literarischen Adventskalender bestimmt, der aber offenbar nicht veröffentlicht wurde. Der Blog wurde geschlossen. Ich hatte mir das Thema „Hoffnung“ ausgesucht und dazu die folgende Geschichte geschrieben: )

Die Heimkehr

Von der Straße aus sah man es nicht, obwohl es auf einer kleinen Anhöhe gelegen war. Aber die Bäume und Sträucher, von lang vergangenen Generationen von Vorbesitzern gepflanzt, bildeten eine undurchdringliche Wand aus Laub und Geäst. Wie das Dornröschen-Schloss, dachte Tobias. Ein seltsames Gefühl von Vertrautheit bemächtigte sich seiner. Ein Feldweg wand sich widerstrebend in Richtung des kleinen Hauses, dass ihm von nun an Heimat sein sollte, und Neubeginn außerhalb des Lichts der Öffentlichkeit, in dem er seit seinem beruflichen Erfolg gestanden hatte.

Es gab viel zu tun. Das meiste wollte er selbst machen. Von außen hatte man das Gebäude mit weißer Farbe frisch gestrichen, die hölzernen Fensterläden glänzten lackschwarz, Clematis und Efeu sowie einige Kletterrosen hatten sich würdevoll an den Mauern emporgerankt. 
Innen jedoch erschien jeder Winkel besonderer Pflege und Aufmerksamkeit zu bedürfen. Überall gab es kleine Nischen und Abseiten, die als Vorratskammern, Abstellräume oder Verstecke gedient haben mochten. 

Tobias öffnete hastig Türen und Fenster, um der zähen Umklammerung des leicht modrigen Geruchs zu entgehen, der sich in den vergangenen Jahren in Bodenbelägen und Tapeten festgesetzt hatte. Bald würden die Handwerker kommen, die helfen sollten, diese zugunsten hölzernen Parketts und einer schlichten Struktur-Tapete zu beseitigen.

Gottseidank hatte es aufgehört, zu regnen. Der Sommer wurde zwar nicht müde, die Natur in satte Farben zu tauchen, die andauernde Nässe jedoch verdarb Tobias die Freude an allem, was die Jahreszeit zu bieten hatte. Trotz allem: Er fühlte sich, er war zu Hause.

Das Badezimmer im 1. Stock war schwarz gekachelt. Fast ein wenig unheimlich, wenn man nicht daran gewöhnt war. In jeder Wand spiegelte man sich. Sogar die roten Haare auf seinem Kopf erschienen wie eine lodernde Flamme, und die dunkle, etwas zu wuchtige Brille umrahmte seine Augen wie die eines Gespenstes. 
Die Fliesen des Fußbodens waren aus grauer Keramik. Und zwischen der Toilette, die leicht erhoben auf einem kleinen Podest stand, und dem Waschbecken, befand sich -wie sollte es auch anders sein - eine Tür, die, an das Dach angepasst, im oberen Teil  schräg endete. 

Tobias öffnete. Er musste, um in den kleinen Raum zu schlüpfen, den Kopf einziehen. Sein Blick fiel auf eine prächtige Nähmaschine voll bunter, floraler Intarsien, mit einem gewaltigen Schwungrad, und einem gusseisernen Pedal, das die Bewegung mittels eines Lederriemens auf dasselbe übertrug. Der Mechanismus schien intakt zu sein. Der rhythmische Druck seines Fußes führte zu reibungslosem Fluss von Nadel und Schiffchen. 

Am Ende des Raums fand sich eine kleine, altmodische Kommode, mit einer Schublade und einer kleinen Tür. Der cremefarbene Lack war an vielen Stellen abgestoßen und abgeblättert. In der Schublade befanden sich einige Glasfläschchen, die wohl dem Aufbewahren von Pillen oder Tinkturen gedient haben mochten. Hinter der Tür verbarg sich altes Spielzeug. Eine Puppe aus Celluloid, deren Arme und Beine hilf- und willenlos vom Körper pendelten, da die elastischen Bänder sich zersetzt hatten. Ein Teddybär, der, entpelzt und mit durch eine aufgeplatzte Naht hervorquellender Holzwolle, den Finder anklagend mit seinem verbliebenen Glasauge anstarrte. Einige farbige Holzklötze. Und ein Frosch aus grün lackiertem Blech, den man mit einem an der Seite befindlichen Schlüssel aufziehen und springen lassen konnte.

Auf dem Boden des kleinen Verstecks lag ein vergilbter Zettel. Mit einem Bleistift hatte jemand Worte darauf geschrieben, in krakeliger Kinderschrift. „Niemand mag dich!“, stand dort zu lesen. 

Niemand mag dich.
Niemand ...

Es handelte sich um ein Blatt Papier, das der Autor dieser Ungeheuerlichkeit aus seinem Schulheft, vermutlich dem Rechenheft, wegen der Karos, herausgerissen und insgesamt 4 Mal gefaltet hatte, um es seinem Opfer in den Ranzen, oder das Schulbuch zu schieben, in einem unbemerkten Moment. Erst zu Hause sollte es gefunden werden. Erst zu Hause sollte es Trauer bereiten, und feige die Geborgenheit der kleinen Welt des Empfängers zerstören. 

Niemand mag dich.

Tobias‘ Herz zog sich zusammen. Seine Knie gaben nach, er musste sich auf den Boden setzen. Den Ursprung der Tränen, die jetzt seine Wangen heruntertropften, vermochte er nicht zu benennen. Mitleid? Kummer? Hilflosigkeit? Er spürte den Schmerz, den vor einiger Zeit dieses Kind empfunden haben mochte. 

In dieser Nacht schlief er unruhig. Das lag nicht allein an dem provisorischen Lager, dass er sich mit einer auf dem Boden liegenden Matratze eingerichtet hatte. So sehr, wie er sich auf dieses Häuschen gefreut hatte, so unmöglich war es ihm, angesichts des Leides, das hier stattgefunden hatte, seinen Frieden zu finden. 

Das Haus hatte eine Weile leergestanden. Die letzten Besitzer waren kinderlos. Allerdings hatte davor eine Familie mit einem kleinen Jungen dort gewohnt. Diese wäre dann fortgezogen. Wohin, könnte man leider nicht sagen. Der Junge sei hier zur Schule gegangen, und in den Kindergarten der nahegelegenen Kreisstadt. 

Der Pfarrer zog einige Folianten aus dem staubigen Regal, blätterte, tippte auf verschiedene Namen, legte grübelnd den Finger an die Nase. Ja, er sei damals junger Kaplan gewesen, als das Paar hierher zog. Der Junge sei hier geboren und getauft. Ansonsten sei das Kind nicht in Erscheinung getreten. Wie jedes andere, habe es den Kommunions-Unterricht besucht. Und den sonntäglichen Kirchgang absolviert. Und zur Beichte gegangen. Routine. Zum Ministranten hätte es nicht gereicht, da seien andere würdiger gewesen. Der Kleine sei sehr ungeschickt gewesen, viel hingefallen. Man stelle sich das vor, bei einem Messdiener. 

Ein unauffälliges Kind, erinnerte sich im Kinderhort die alte Erzieherin. Blass, kränklich, schüchtern. Seine Kurzsichtigkeit hatte zunächst niemand bemerkt. Vermutlich war deswegen seine Zurückhaltung beim Spielen dadurch bedingt. 

Kein Wunder, dachte Tobias, wenn der Kleine nicht richtig sehen konnte. Es war nicht schwer für ihn, das nachzuempfinden, war er doch selbst Brillenträger und verunsichert, wenn er die Gläser einmal verlegt hatte. Ungeschickt und zurückhaltend?  

Der Lehrer, den er, den heimtückischen Zettel in der Hand haltend, besuchte, lachte. An den Namen könnte er sich nicht erinnern, kicherte er, wohl aber an das mangelnde Geschick des Knaben, der sich mit Ach und Krach durch seine Schulzeit manövriert hatte. Ja, der Verfasser der anonymen Botschaft war zwar nicht zu loben. Er hätte aber auch nicht die Unwahrheit gesagt. Niemand, wirklich niemand hatte ihn gemocht. Seiner Meinung nach hätte der Junge gar nicht auf eine weiterführende Schule gehen dürfen. Seine Leistungen hatten zu wünschen übrig gelassen, besonders in Mathematik und den Naturwissenschaften. 

Tobias machte sich nachdenklich und traurig auf den Heimweg. Was mochte aus dem kleinen, ungeschickten Jungen geworden sein?  Ungeliebt zu sein. Nicht beachtet, ja gehasst zu werden! Er schien keinen besonderen Eindruck hinterlassen zu haben. Aber er hatte sich auch nicht bemerkbar gemacht. Er hatte sich nicht gewehrt. Freiwillig hatte er sich mit der Rolle des Opfers abgefunden, so schien es. 

Wie töricht dies Kind doch war. Kämpfen hätte er sollen. Protestieren. Sich zur Wehr setzen. Und was war mit seinen Eltern? Hatten die keine Veranlassung gesehen, ihrem Sprössling beizustehen? Hatten sie ihr Kind geliebt? Obwohl es nicht so war, wie die anderen Kinder? So geschickt, so mutig? So tüchtig in der Schule, ohne körperliche Gebrechen? Ein Versager. Man durfte sich da nichts vormachen. Das Kind hatte versagt. Es wäre zu einfach, den Eltern die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Wenn dem Jungen die Voraussetzung fehlten, hätten auch die wohlwollendsten Eltern nichts aus ihm herausholen können. Geschah ihm ganz recht. Wie hätte man ihn, den so wenig Liebenswerten, denn auch lieben können? Hoffnungslos.

Die abendliche Dämmerung brachte Feuchtigkeit mit sich, deren aufdringliche Kälte durch seine Kleidung auf die  Haut kroch. Der noble Duft frisch gemähten Grases, den die untergehende Sonne mit letzter Kraft hervorgebracht hatte, erfüllte die Luft, und weckte Erinnerungen, die ihn in eine tiefe, unerklärliche Wehmut tauchten. 

Von der Straße aus sah man es nicht, das Haus, obwohl es auf einer kleinen Anhöhe gelegen war. Aber die Bäume und Sträucher bildeten immer noch eine undurchdringliche Wand aus Laub und Geäst. Gemacht, sich dahinter zu verstecken, dachte Tobias. Das Gefühl verlorener Hoffnung, peinigte ihn zunächst. Dann trug es ihn fort. Der vertraute Weg ging ein Stück weit bergauf und hatte ihm Mühe bereitet. Aber während er lief, nahm die Anstrengung ab. Er fühlte sich wie getragen. Immer schneller lief er, auf das Haus zu, sein Zuhause. Warmer Schein, wie von Kerzen, drang durch die Scheiben. Er war angekommen. Endlich. Alles würde gut werden. 

Auf dem Boden hinter der Tür lag ein Stück Papier. Im Archiv der Schule hätte, so die Notiz des Lehrers, er ein altes Klassenfoto entdeckt. Der Junge, nach dem er sich erkundigt hätte, stünde, etwas abseits von der Klasse, an der linken Seite.

Er drehte das Papier herum und betrachtete das Kind, abseits der kleinen Pyramide, die der Fotograf aus seinen Klassenkameraden mit so großer Sorgfalt konstruiert hatte. Unbeteiligt, der Gruppe nicht zugehörig, scheinbar, woran sich niemand zu stören schien. 

Er stand in der Tat auf der linken Seite. Die roten Haare auf seinem Kopf erschienen wie eine lodernde Flamme, und die dunkle, etwas zu wuchtige Brille umrahmte seine Augen wie die eines Gespenstes.